Einzelhandel im Metaversum

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03.11.2022

Einzelhandel im Metaversum

Große Tech-Unternehmen wie Meta (ehemals Facebook) und Microsoft investieren seit geraumer Zeit verstärkt, in das, was Sie für den nächsten großen Wurf nach dem Internet halten: Das Metaversum. Gedacht als digitale Parallelwelt, die gleichberechtigt neben der Realität existieren soll und in der die Nutzer mithilfe individualisierbarer Avatare interagieren, arbeiten, Handel betreiben, Beziehungen aufbauen und leben können. Ein digitaler Raum also, in dem durch den Einsatz von Augmented- und Virtual-Reality-Technologien die virtuelle mit der analogen Welt verschmilzt. Dass solche digitalen Orte nicht nur im Gaming-Kontext relevant bleiben, sondern sich vielmehr auf alle anderen Lebensbereiche ausweiten werden, da sind sich Experten mittlerweile sicher. Und auch der Einzelhandel erhofft sich vom Metaversum nicht weniger, als die riesigen Wachstumspotenziale von Augmented- und Virtual-Reality zu nutzen und so den neuen digitalen Absatzkanal schlechthin erschließen zu können.  

Metaversum – Nur ein kurzlebiger Hype?! 

Obwohl vielen Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern das Metaversum bisher wahrscheinlich nur in Form von Werbeblöcken der großen US-amerikanischen Tech-Unternehmen begegnet sein dürfte, die zudem den Eindruck hervorgerufen haben könnten, dass das alles nur ein von selben Unternehmen ausgelöster Hype ist, lohnt es sich dennoch einen genaueren Blick auf die Potenziale eines solchen Konzeptes zu werfen. Denn nicht ohne Grund geht die Investmentbank Morgan Stanley davon aus, dass das Metaversum der Mode- und Luxusgüterbranche bis 2030 zusätzliche Umsätze in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar bescheren könnte. Und auch die in Deutschland führende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC ist überzeugt, dass „das Metaversum […] dem Handel und der Konsumgüterindustrie große Wachstumschancen durch neue Geschäftsfelder und Vermarktungskanäle [eröffnet], die innovative Markenerfahrungen für Kunden und Interessenten ermöglichen“. 

Während die Gaming-Branche es dabei schon seit längerer Zeit vormacht und in zahlreichen Onlinespielen den Nutzern virtuelles Equipment wie Kleidung und Accessoires im Austausch gegen ganz analoges Geld anbietet, hat zuletzt mit Kaufland sogar ein deutscher Händler einen ersten Gehversuch gewagt. Im Nintendo-Plattformer „Animal Crossing: New Horizons“ können die Spieler seit Anfang 2022 eine eigene Kaufland-Insel („Kaufisland“) erkunden, auf der der Konzern zeigt, woher die in den Filialen verkauften Lebensmittel stammen und was Kaufland unternimmt, um sich nachhaltiger aufzustellen. Zudem können sich die Spieler in einer Art digitalen Showroom Kleidung und Accessoires von Kaufland anschauen. Eine rein digitale PR-Aktion also. Der US-Einzelhandelskonzern Walmart hingegen will da zukünftig noch einen Schritt weitergehen und hat verschiedene Patente für Das Metaversum von der Online-Gaming-Plattform Roblox angemeldet. Diese deuten darauf hin, dass Walmart zukünftig seine Waren virtuell verkaufen möchte, die den Kunden dann zugleich auch im realen Leben geliefert werden können. Der Vorteil gegenüber einem herkömmlichen Online-Shop wird von Walmart insbesondere in der Möglichkeit gesehen, die Produkte mithilfe des Metaversums erlebnisorientiert präsentieren zu können und so ein komplett neuartiges Einkaufserlebnis für potenzielle Kunden zu schaffen.  

Viel Potenzial für den Einzelhandel 

Die beschriebenen Beispiele von Kaufland und Walmart zeigen vor allem eins: Das Metaversum bietet das Potenzial, im Bereich E-Commerce ganz neue Einkaufserlebnisse zu schaffen. Händler zeigen heute bereits wachsendes Interesse, mit digitalen Plattformen zu kollaborieren und ihre Produkte, Angebote und Onlineshops in virtuelle Welten wie die von Animal Crossing oder Roblox zu verlagern. Dahinter steht oft der Versuch das Einkaufserlebnis in einem Ladengeschäft digital zu reproduzieren und so digital Kundenbeziehungen zu vertiefen. Ladengeschäfte lassen sich im Metaversum nachbauen, Kleidung kann virtuell am eigenen Avatar anprobiert werden und Möbelstücke lassen sich beliebig in einem digitalen Abbild des eigenen Zuhauses platzieren und visualisieren. Die Anwendungsmöglichkeiten scheinen speziell für den Einzelhandel gleichermaßen vielfältig wie auch vielversprechend zu sein. Nach Vorstellung vieler führender Handelskonzerne ließe sich die Kundenerfahrung mit einer solchen Verknüpfung der realen mit der virtuellen Welt erheblich verbessern.  

Deiters – Ein deutscher Einzelhändler mit der Kundenkarte des Metaversums 

Dass auch KMU von den angesprochenen Potenzialen profitieren können, zeigt das neueste NFT-Projekt des Verkleidungs- und Kostümhändlers Deiters aus Köln. Der familiengeführte Mittelständler hatte aufgrund der vorübergehenden Schließung seiner stationären Ladengeschäfte im Zuge der Pandemie starke Umsatzeinbußen zu verzeichnen und musste sich notgedrungen digitaler aufstellen. Obwohl ein eigener Online-Shop bereits zuvor fester Bestandteil des Multichannel-Konzeptes von Deiters gewesen ist, hat das Familienunternehmen weitere Schritte in Richtung digitaler Transformation gemacht. Ein Ergebnis dieses Prozesses ist mit dem „Dressed Ape Costum Club“ ein NFT-Projekt, welches basierend auf der Blockchain-Technologie dem geneigten Deiters-Kunden eine Art digitale Kundenkarte an die Hand gibt und ihnen somit die Möglichkeit bietet, Teil der digitalen Community des Kostümhändlers zu werden. 

Im Detail sieht das so aus: Deiters bietet Interessierten über ihre Webseite eines von insgesamt 2.222 einzigartigen digitalen Bildern zum Kauf an, deren Motive aus mit immer unterschiedlichen Kostümen verkleideten Affen, den so genannten „Dressed Apes“, besteht. Der Kauf eines solchen NFT´s hält für die Käufer einige Vorteile bereit. So erhalten sie im realen Leben einen Rabatt auf Käufe im Deiters Online-Shop, bekommen auf dem Postweg Goodies zugeschickt, werden von Deiters zu ausgewählten Events eingeladen und können sich als offizielles Mitglied des „Dressed Ape Costum Clubs“ über den unternehmenseigenen Discord-Server mit anderen Community-Mitgliedern austauschen oder direkt mit den Mitarbeitern von Deiters chatten. Während für die Käufer der NFT´s also Real-Life Benefits warten, erhält Deiters im Gegenzug eine Community, die ihnen in Echtzeit Kundenfeedback zu den Kostümartikeln in ihrem Sortiment oder zu der Ausstattung in den verschiedenen Filialen gibt. Digitale Kundenkarte verbunden mit gewissen Vorteilen gegen wertvolles Feedback. 

Eine Win-Win-Situation 

Das zukunftsorientierte Vorangehen von dem Mittelständler Deiters bei den Themen Metaversum, NFT´s und Blockchain ist wohl zwar eher noch ein Einzelfall, kann allerdings wegweisendes Vorbild für die vielen anderen kleinen und mittelgroßen Einzelhändler in Deutschland sein. Es bleibt somit abzuwarten, ob die großen Wachstumspotenziale, die mit dem Metaversum einhergehen, schlussendlich auch dazu führen, dass sich die Vielzahl kleinerer Einzelhändler und ihre in Deutschland immer älter werdende Kundschaft schon bald an der virtuellen Ladenkasse wiedersehen.


Grafik: Gorodenkoff – stock.adobe.com